domenica 1 febbraio 2009

DER STURM

Aus MSKRT N° 3: Der Fall MS: CONDOR, ex Markus. S

Die erste Sturmwarnung erreichte uns an Bord der MS Condor zwölf Stunden vor Ushant an der nordwestlichen Spitze Frankreichs, wo nach Westen fahrend die Biskaya anfängt.
Bei wolkenlosem Himmel und steigendem Barometer fingen sämtliche Radiostationen in der Umgebung auf einmal an dem Sonntagmorgen an, im Halbstundentakt ihre Sturmwarnungen auszusenden.
Der alte Kapitän deutete mit einem spöttischen Lächeln auf das Barometer, das auf fast 1.038 Millibar stand, und fragte sichtlich amüsiert, ob die Engländer und die Franzosen auf einmal nicht mehr ganz dicht wären.
>Seit Mitternacht sind die dabei, Sturmwarnungen rauszuposaunen, während der Barometer steigt<, lästerte der Alte lachend, als ich an dem Sonntagmorgen gegen sieben Uhr während meines morgendlichen Rundgangs ums Schiff auf der Brücke erschien.
Nur die Möwen in der unmittelbaren Umgebung von unserem Schiff lachten nicht, sie lagen fast apathisch alle im Wasser und alle in einer Richtung, nämlich nach Westen, und in diese Richtung fuhren wir auch.
Nur gelegentlich paddelten einige davon fast irritiert schleunigst weg, wenn unser Schiff denen beim Fahren zu nah kam. Nur selten flogen einige von denen uns aus dem Weg, um sich wieder einige Meter weiter wieder ins Wasser zu legen.
Der alte Mann, der sich während der kurzen Fahrt von Amsterdam aus als ein vollkommener bürokratischer Trottel erwiesen hatte, lachte noch mehr, als die ersten Schiffe, die mit uns fuhren, sich bei Radio Ushant meldeten und um Landschutzfahrterlaubnis fragten.
Die Küstenstation gab denen sofort und ohne zu zögern ihr Okay und wies all den Küstenmotorschiffen, die danach fragten, einen Ankerplatz unter Landschutz zu.
Kurz vor Mittag waren wir auf breiter Flur die einzige Kümo, die, flankiert von einigen großen Fahrtschiffen, die ebenfalls nach Westen fuhren, noch nicht unter Landschutz vor Anker gegangen war.
Und so, während der Kapitän sich immer noch köstlich zu amüsieren schien und lustig weiterfuhr, gingen wir dem stärksten und umfangreichsten Sturm, den ich in den letzten 25 Jahren auf See erleben - und Gott sei‘s gedankt, überleben dürfte - entgegen.
Der Sturm erreichte uns mit voller Wucht kurz vor Mittag, kaum zehn Meilen nach Ushant.
Das Barometer fing fast schlagartig an zu sinken, das Ding ging in kaum einer halben Stunde von 1.040 Millibar auf 1.000 und fiel, während der Himmel in der kürzesten Zeit rabenschwarz wurde, unaufhaltsam weiter ab.
Das Meer fing an zu brodeln, und wir waren in der Scheiße.
Die Biskaya hatte sich in kürzester Zeit von einem freundlich blauen Südseeähnlichen friedlichen Gewässer zu einer tobenden Bestie gewandelt.
Es ging alles so schnell, und der alte Arsch wurde so dermaßen überrascht, dass er sogar vergaß, die Fahrt des Schiffes zu reduzieren.
Die Condor, immer noch von meinem deutschen Bullen aus Deutzer Zucht, auf 80 % ihrer Leistung nach vorne getrieben, tanzte wild hin und her, sie bohrte sich ein paar Mal in gewaltige Wellen hinein, kam aber brav immer wieder raus.
>Wollen Sie den Motor kaputt fahren oder das Schiff versenken, Kapitän?<, fragte ich scheinheilig, als ich sah, dass der Mann immer noch nicht mit der Fahrt runtergehen wollte und wie hypnotisiert nach draußen schaute.
Vorsorglich hatte ich um zehn Uhr beim Kaffee in der Messe die Jungs und Peter gewarnt, sämtliche Schotten und Türen abzuschließen und dafür zu sorgen, dass in der Messe und in ihren Kammern alles, was auf dem Tisch lag, gut weggestaut und abgesichert wurde.
Luwala, unsere Bordhündin, hatte ich in meiner Kabine eingeschlossen, ich hatte auch im Maschinenraum eine Runde gedreht, dort aber war für mich die Welt in Ordnung, denn ich hatte die Gewohnheit, niemals lose Gegenstände herumliegen zu lassen, von dort erwartete ich also keine Probleme.
Mein Problem oder, besser gesagt, unser Problem kam in Person des Steuermannes, der kurz vor dem Rest der Bande auf der Brücke erschienen war und der dem Kapitän die Fahrt des Schiffes endlich auf 30 % zurückgestellt hatte.
Er musste gegen irgendwas mit seinem Kopf gestoßen sein, denn auf seiner linken Stirnseite war eine große Beule zu sehen.
>Das ist die Strafe<, murmelte er vor sich hin.
>Die Strafe für was denn, Steuermann?<, fragte ich alarmiert.
>Die Zwischendeckpontons, Chief, ich hab sie aufgrund des schönen Wetters gestapelt gelassen und nicht in Position gebracht, die sind aber sehr gut gelascht worden<, antwortete er mir kleinlaut.
>Du Vollidiot, was hast du dir denn dabei gedacht?<, zischte ich ihm ins Gesicht.
>Jetzt haben wir aber eine schöne Scheiße am Hals<, schimpfte Peter gleich los und schaute mich dabei kreidebleich an.
>Aber, meine Herren, ich bitte euch. Es gibt doch keinen Grund zur Panik. Der Sturm ist doch gleich wieder vorbei, und die Pontons im Laderaum sind gut gelascht worden<, dekretierte der Kapitän.
Mir reichte es, denn meine innere Warnanlage war wie von Sinnen am Bimmeln.
Ich kannte den Klang meiner eigenen Alarmglocke in mir. Das letzte Mal, wo ich sie gehört hatte, war damals im Barbison Hotel, bevor ich auf dem Motorschiff El Castillo einstieg, nur das diesmal ihr Klang ein einziges Ding bedeutete, nämlich Tod.
>Nix da, mein lieber Kapitän, Sie gehen jetzt sofort auf ganz langsame Fahrt runter und Kopf auf See, und ich gehe in den Laderaum, ich will mir dort selbst ansehen, was Sache ist, denn ich habe keine Lust, in der Biskaya abzusaufen. <
Ohne lange herumzumäkeln, setzte der Alte den Bug gegen den Wind und reduzierte die Fahrt um einige Umdrehungen mehr.
>Weniger geht nicht, Chief, ich brauche Ruderwasser. Passen Sie bitte auf<, mehr sagte der alte Mann nicht, und ich ging, gefolgt von Peter, nach unten.
Von der Tür auf der Steuerbordseite zum Arbeitsdeck bis zur Einstiegstür zum Laderaum waren es gerade sechs Meter. Der Kapitän hatte das Schiff so manövriert, dass die Kondor mit ein paar für mich lebenswichtigen Graden rechts der Wellenrichtung lag.
>Pass bloß auf, Meister<, bat mich Peter, der genauso wie ich durch das Bullauge an der Tür die Sequenz der Wellen beobachtete.
Wir ließen uns Zeit, erst als ein paar größere Wellen an uns vorbeizogen und das Arbeitsdeck wieder frei von Wasser war, öffneten wir die Tür, und ich ging, während Peter hinter mir die Tür wieder schloss, an Deck.
Wie ich es schaffte, in den Laderaum zu gelangen, ohne über Bord gespült zu werden, weiß ich bis heute nicht, ich weiß nur, dass ich es schaffte und dass ich heute, fast fünf Jahre später, darüber berichten kann.
Mehr weiß ich nicht.
> Verdammt kurz und schnell, diese Wellen<, dachte ich, als ich die Sprossenleiter zum Laderaum runterging.
Unten im Zwischendeck waren das ganze Getöse des Sturms und das des gestressten Schiffes fast unerträglich.
Die Gefährlichkeit und Mystik der Geräusche, die sich da abspielten, war mit all dem, was ich vorher auf See gehört hatte, nicht zu vergleichen.
Es klang fast wie Musik, nein, es war Musik, eine tödliche Sinfonie, die mich fast das Blut in den Adern gefrieren ließ, spielte sich da in meinen Ohren ab, und für einen kürzesten Augenblick hörte ich gebannt, fast wie hypnotisiert, einfach zu.
Erst danach schaute ich mich um.
Die Pontons achtern waren im Laderaum zwar gestapelt, die lagen aber auch fest gegen die Aufbauten, die waren so gut einzeln am Schott gelascht worden, dass die nirgendwo hingehen konnten, so, als ob die ein fester Teil des Schiffes gewesen wären.
Diese Deckel waren immer dort, so wie die waren und wurden in ihren jeweiligen Positionen in dem Zwischendeck eingesetzt, nur wenn es im Raum Teilladung zu stauen gab, sonst nicht.
Was ich aber sah, als ich nach vorne schaute, raubte mir für einen kurzen ewigen Moment fast den Verstand.
Die vordersten 12 Pontons, die man nur frei im Raum stapeln und laschen konnte, hatten ihre Ketten gesprengt und lagen über- und untereinander, durcheinander eingekeilt und gestapelt, Vorkante Laderaum Backbord und bewegten sich mit ihren scharfen Kanten stumpf und knirschend gegen den Schiffsrumpf.
Fast wie in Trance schnappte ich mir von irgendwoher so viel Holzbretter, wie ich nur finden konnte und setzte sie, wohl achtend, wohin ich mit meinen Füßen ging, zwischen die scharfen Kanten der Pontons und der Schiffsaußenhaut.
Mit Gottes Hilfe fand ich auch auf Anhieb einige größere Holzkeile und einen Vorschlaghammer, wie besessen hämmerte ich so viele von den Holzklötzen zwischen die eisernen Pontons und das Deck, wie ich nur konnte.
Mir ging es primär darum, eine weitere Verschiebung der Teile zu vermeiden, und erst, als es mir schien, dass das Ganze, doch etwas ruhiger da lag, ging ich wieder nach oben, um Verstärkung zu holen.
>Ich machte mir langsam um dich Sorgen, Meister<, sagte Peter zu mir, als ich wieder bei ihm war.
Unterwegs nach oben informierte ich ihn, was im Laderaum los war und was ich getan hatte. Ich sagte ihm auch, dass wir gleich wieder da runter mussten, um die losen Pontons mit Ketten und Spannschrauben an den Spanten des Schiffes so zu verankern, dass die sich nicht mehr hätten bewegen können.
Auf der Brücke war der alte Arsch gerade dabei, freudig und munter den Jungs und seinem Affen, der aschgrau im Gesicht war und sich stumpfsinnig, fast abwesend, krampfhaft am Kartentisch festhielt, eine Lehrstunde in Ozeankunde zu geben.
Er erklärt denen gerade, wie sich die Wellen auf hoher See verhalten und wo der Unterschied zwischen einem Längst- und einem Querläufer zu sehen und wie dieser zu interpretieren war.
>Vorne haben die Pontons, die ihr so gut gelascht habt, ihre Laschketten gesprengt, meine Herren. Wir müssen in den Laderaum gehen, um die einzeln irgendwie zu sichern, sonst gehen die uns noch durch die Wand, und dann ist wohl Feierabend mit lustig, meine Herren, und wir gehen alle baden<, erklärte ich denen.
Der Kapitän schien nicht begriffen zu haben, was ich da gesagt hatte, denn als ob ich nicht da gewesen wäre, laberte und dozierte er weiter mit den Jungs über Wasser und Wellen.
>Sagen Sie mal, Kapitän, haben Sie mir überhaupt zugehört<, fragte ich wütend den alten Sack, der immer noch am Schnacken war.
>Wie bitte?<, fragte der alte Mann fast erschrocken.
In aller Ruhe erklärte ich noch einmal, in welcher prekären Lage wir uns befanden und was ich dagegen tun wollte.
>Ja, Chief, wenn das so ist, dann haben Sie natürlich Recht. Ich will mir aber zuerst selber die Lage im Laderaum anschauen.<
>Den Teufel werden Sie tun, mein Lieber. Sie bleiben hier auf der Brücke und gehen nirgends wohin<, gab ich ihm zur Antwort, ohne ihn weiterreden zu lassen.
>Ich bin der Kapitän, und ich muss mir selber ein Bild über den Zustand meines Schiffes machen<, antwortete mir der alte Sack trotzig.
>Falls Sie jetzt die Brücke verlassen, um in den Laderaum zu gehen, dann breche ich Ihnen ein Bein. Auf den Steuermann ist kein Verlass, Sie sind hier jetzt der einzige, der das Schiff in so einer Situation fahren kann, und ich brauche die Jungen und den Koch mit mir im Raum. Wir sind tief in der Scheiße, und alles, was ich zur Verfügung habe, sind zwei 18-jährige Jungs, die zum ersten Mal auf See sind und Peter. Hinzu kommen ein Steuermann, der von nichts eine Ahnung hat, und ein 70 Jahre alter Kapitän, der, obwohl er kaum auf den Beinen stehen kann, in den Laderaum gehen will, nur weil er den Kapitän spielen will. Und ich soll dem Mann kein Bein brechen?<, fragte ich zum Schluss verbittert und angeekelt über seinen Hochmut und seine überhebliche Einstellung.
Ohne mich weiter um den alten Mann zu kümmern, ging ich von der Brücke, um nach unten zu gehen, Peter und die Jungs folgten mir ohne Widerrede.
Ein paar Minuten später waren wir alle vier zwar etwas nass und außer Atem, aber mit heilen Knochen bei den losen Pontons in dem Laderaum.
Wir brauchten gut und gern zwei Stunden, um alle Pontons so zu sichern, dass die einigermaßen gut und fest an den Backbordspannten des Laderaums vorne gelascht worden waren.
So was hört sich einfach an, es war aber nicht so, und ungefährlich war’s erst recht nicht.
Wir befanden uns im vordersten Teil des Laderaumes, und das Schiff sprang wie ein wilder Mustang mit bis zu sechs Meter in die tiefen Wellentäler.
Am Ende aber, ohne uns dabei die Knochen zu brechen, hatten wir es fertig gebracht, nicht nur jeden der losen Pontons an den Spannten des Schiffes fest zu laschen, wir hatten auch noch eine gehörige Portion Holzpolster zwischen die und die Schiffswand einsetzen können.
Ganz felsenfest gelascht waren die nicht, wir hatten es nur geschafft, die alle so zu befestigen, dort wo die waren und so, wie die dort auch lagen.
Mehr wäre in so einer Situation einfach nicht drin gewesen.
Um zu vermeiden, dass die durch Eisen auf Eisen Reibung sich noch weniger bewegen konnte, waren wir außerdem in der Lage gewesen, eine gute Verkeilung hinzukeilen, nicht nur zwischen jeden einzelnen von denen, sondern auch zwischen die, die direkt an Deck lagen und dem Deck selbst.
Damit hatten wir zur Rettung unserer Leben all das getan, was uns unter den gegebenen Umständen möglich worden war, der Rest lag nur noch in Gottes Hand.
Mir ist es heute noch ein Rätsel, wie wir es immer schafften, von unserem Wohnbereich in den Laderaum zu gelangen und zurückzukommen, ohne dabei von den anrollenden Brechern über Bord befördert zu werden.
Tatsache ist, dass wir es alle schafften und das alles ohne Verletzungen.
Auf der Brücke dann berichte ich dem Kapitän, wie die Lage nun war, ich erklärte ihm, was wir getan hatten und was ich davon hielt.
Dabei machte ich ihm klar, dass die Pontons keineswegs 100 % sicher waren, sondern dass die eben nur so sicher waren, wie das Schaukeln des Schiffes es eben zuließ, mehr nicht, denn mittlerweile hatte der Sturm erheblich an Stärke zugenommen.
Der Sturm hatte sich so gegen 15 Uhr bei steifen neun mit bis zu guten zehn Windstärken eingependelt und schien es dabei belassen zu wollen.
Die Condor schaukelte zwar im Sekundentakt mit bis zu 30 Grad Neigung wild hin und her, so lange wir aber Kopf auf See blieben, war das im Grunde genommen zwar verflixt unangenehm, man hätte es aber überleben können.
Hinzu kam, dass das Gewicht der Pontons, die an Backbord gestapelt waren, uns zwangsläufig ein paar Grade willkommener Schlagseite in diese Richtung gaben und das half noch mehr, die Scheiß losen Deckel im Laderaum dort zu halten, wo die waren.
Jeder Kapitän, den ich kenne, aber auch die blödesten unter denen (und davon gibt es viele), wäre nun weiter Kopf auf See geblieben, bis sich der Sturm beruhigt hätte.
Nur dieses Arschloch von Kapitän nicht, nein, der Trottel schien nur diesen Teil meines Berichtes in sich aufzunehmen und zu begreifen, als er hörte, dass die Pontons im Laderaum befestigt worden waren,.
>Mensch, Chief, danke, das war gute Arbeit, jetzt kann ich wieder auf Kurs gehen und mich bei Ushant Radio abmelden.< Das ist es, was der Herr Kapitän sagte.
Meine Antwort kam postwendend.
>Wenn Sie es wagen, dieses Schiff auch nur einen einzigen Grad aus dem gegenwärtigen Kurs zu bringen, so schließe ich Sie in Ihre Kammer ein und übernehme das Schiff<, mehr sagte ich nicht.
>Das ist ja Meuterei. Ich werde Sie ins Tagebuch eintragen<, weiter kam er nicht.
>Machen Sie das ruhig, Kapitän, und da Sie dabei sind, setzen Sie gleich meinen Namen hinzu<, schrie ihn Peter auf Holländisch sofort an, >falls Sie lebensmüde sind, so springen Sie meinetwegen gleich außenbords. Dieses Schiff drehen Sie aber nicht, nicht jetzt, denn ich habe Frau und Kinder daheim, und die wollen mich wiedersehen. <
Peter als erfahrener Bootsmann/Koch hatte die Entsetzlichkeit unserer Lage sofort erfasst und war mir zu Hilfe gekommen.
>Es gibt manche Sturmböen da draußen, die fast Orkanstärke haben, wo wollen Sie eigentlich hin, Kapitän?<, fragte ich, als der alte Mann, erschrocken über Peters Intervention, sprachlos geworden war. >Ihre Pflicht ist es, Ushant Radio unsere Situation zu melden, wir sind faktisch in Seenot. Jede Minute kann sich einer der Pontons lösen, jede Minute kann einer davon durch die Schiffswand gehen, und wir saufen einfach ab, ohne dass es jemand merkt. Kapitän, melden Sie uns, bitte<, setzte ich unvermindert fort.
Der Mann, der nur an sich selbst und sein eigenes Prestige dachte, griff wortlos nach dem UKW-Mikrofon und rief Ushant Radio an.
Ruhig, mit fast monotoner Stimme meldete er unsere Position und Schiffslage an und bat sie, wenn wir auch quer zum Fahrtweg standen, dort bleiben zu können, so wie wir waren.
Er beantwortete all die Fragen, die Ushant Radio über Schiffsgröße, Tiefgang, Art der Ladung, Ausgang und Ankunftshafen sowie Reederei und Agentennamen ihm stellte, er gab alles durch, und am Ende verlangte die Küstenradiostation, nachdem sie uns auf ihrem Radar festgenagelt hatten, von ihm bis auf Weiteres im 15-Minuten-Takt eine Position- und Schiffszustandsmeldung.
Danach wünschten sie uns Hals- und Beinbruch und beendeten somit das Gespräch.
Gerade als ich daran dachte, nach unten zu gehen, um mich abzutrocknen, fing am Peildeck über uns etwas an, gegen etwas anderes zu knallen.
Die Schläge kamen im Rhythmus von dem rollenden Schiff und wurden immer lauter.
>Was zum Teufel soll denn das jetzt schon wieder sein?<, fragte mich Peter, der genauso wie ich und die Jungs bis auf die Knochen nass und am Frieren war.
>Es gibt nur einen Weg, um das herauszufinden, Junge, lass uns nach oben gehen, und wir werden es wissen<, antwortete ich.
Ohne zu zögern ging ich von Steuerbord aus an dem teilnahmslosen Steuermann vorbei, der immer noch neben der Tür stand und geistlos, verbissen, fast wie hypnotisiert nach draußen schaute, gefolgt von Peter, an der Steuerbord Nock ins Freie.
Das Peildeck ist das höchste Deck eines jeden Schiffs, höher als das sind nur noch der Kamin und die Masten.
Dort befinden sich auf fast jedem Schiff älterer Bauart in einer Holzkiste die 12-Volt-Notstromversorgungsbatterien für die Funkanlage des Schiffes.
Gerade der Scheiß hatte sich teilweise losgerissen und knallte mit dem rollenden Schiff gegen die Reling.
Wenn es schon nicht einfach gewesen war, aufs Peildeck zu gelangen, war es noch viel weniger einfach, die schwere Kiste wieder gegen die Reling zu bringen.
Der Pendelweg des Schiffs dort oben ist am stärksten und sehr gefährlich.
Mit vereinten Kräften, teilweise flach an Deck liegend, klitschenass und halb erfroren schafften Peter und ich es aber doch nach einer Weile, die schwere Kiste wieder gegen die Reling gedrückt zu halten.
Daraufhin knallte ich meine 110 Kilo drauf, hängte irgendwie meine Beine und Arme über die Reling hindurch und schaffte es auch mit meinen fast eingefrorenen Arschbacken, die verdammte Kiste in Position zu halten, bis Peter aus dem Sanitärlüfterraum am Schornstein zum Glück genügend alte Wurfleinen fand, um die verflixte Kiste wieder an der Reling fest zu laschen.
>Falls die Reling auch noch nachgibt, so lade ich samt den Batterienvierkant in den Bach, und dann wird es das wohl gewesen sein<, dachte ich grinsend, als ich wie ein Affe im Baum da an der Reling hing, während die Gischt der vorbeiziehenden Wellen mir die Fresse polierte.
Wenn von dem Brückenfenster aus der Anblick des Sturms schon würdevoll und überwältigend war, so sah es vom Peildeck schlicht und ergreifend majestätisch und atemberaubend zugleich aus.
Ergriffen, fast in der tiefsten Demut, lauschte ich dort dem Konzert aus rauschenden Wassermassen, dem Stampfen des Schiffes gegen die anrollenden Wellen, den Hunderten von Violinen und Posaunen, die die Windböen durch die Aufbauten des Schiffes hindurch spielen ließen.
Aus dem manchmal ruhigen Lauf meiner deutschen Bullen, die ihren Lauf, skandiert durch die trockenen Luftschläge der Abgasturbine, schlagartig von einem „Andante con Brio“ zu einem „Andante Furioso“ änderten, sobald der Propeller aus dem Wasser kam, wurde mir auf einmal klar, dass kein Maler jemals in der Lage sein würde, solch ein Bild malen zu können.
Kein Schriftsteller wäre in der Lage, so was in Worte auf dem Papier beschreiben zu können.
Kein Musiker könnte je so eine Partitur komponieren.
So etwas mit Farben, mit Noten oder mit Wörtern beschreiben zu wollen, wäre nichts anderes als purer dämlicher, menschlicher Hochmut, nicht mehr und nicht weniger als das.
So was muss man gesehen, gehört, erlebt und vor allem empfunden haben. Es beschreiben mit Musiknoten, es erklären mit Worten oder mit Farben, es im Nachhinein jemanden nachfühlen zu lassen, was man da sieht, erlebt und empfindet, das man kann nicht.
> Wie kam denn die alte Wurfleine in den Sanitärlüfterraum auf dem Peildeck?<, fragte ich Peter, als wir wieder im Ruderhaus waren.
> Damit wollte ich mir eine Hängematte bauen, Meister, die hatte ich vor ein paar Tage dorthin gebracht<, erklärte er mir lächelnd.
"Danke,Peter" Fortsetzung folgt