lunedì 31 agosto 2009

QADRUVIUM TRE

Aus MSKRPT N° 5 „DIE WERFT“

Wie dämlich manche Menschen waren bei mir im Dorf, das nun kein Dorf mehr ist, weil es auf dem Papier eine Stadt geworden war, bekam ich abermals zu spüren, als ich die Clique der Tocai eines schönen Mittags in unserem Stammlokal traf.
»Von dir sagt man nun, dass du für die CIA in Jugoslawien arbeitest, Franco«, begrüßte mich einer von meinen Tocai freunden an dem Tag kurz vor Mittag, als er mich sah.
»Ach, wo denn, das stimmt doch gar nicht, denn ich habe gehört, dass Franco als Freischärler für den Bosniaken tätig ist«, sagte ein anderer.
»Gut für mich, dass ihr die Geschichte von El Castillo nicht kennt«, dachte ich grinsend.
»Du fährst mit dem Zug immer nur bis Wien, und dort wirst du von einem slowakischen Taxi abgeholt, das beflügelt die Fantasie der Idioten hier im Dorf. Darum darfst du dich nicht wundern, wenn die anfangen, Geschichten über dich zu erzählen«, erklärte mir der Dritte im Bunde.
»Nanu, wer hat euch das gesagt?«, fragte ich überrascht
»Einer aus dem Dorf hat dich am Hauptbahnhof in Wien erkannt und zugesehen hat, wie du von einem Mann dort erwartet wurdest und wie du mit ihm in ein Taxi aus der Slowakei eingestiegen und weggefahren bist.«
»Warum hat er denn mir nicht‚ Guten Tag gesagt, wenn der Idiot mich gefragt hätte, dem hätte ich gesagt, was ich dort zu suchen hatte. Wer ist er denn?«, fragte ich neugierig.
»Den kennst du bestimmt nicht, Franco, denn er kommt aus dem Süden, er ist Vertreter und erst seit ein paar Monaten hier bei uns. Er ist irgendein Feldwebel in Rente, der als Lebensmittelvertreter seine Rente aufbessert.«
»Am Fiskus vorbei und daher schwarz natürlich, das sind die Richtigen, die Schweinehunde, die schmecken mir am besten«, verbesserte der TH-Professor in Pension, schimpfend, der am liebsten, alles, was mit Polizei und Staatsmacht zu tun hatte, in der Hölle schmoren lassen würde.
Mit ein paar Wörtern erklärte ich denen, was ich in die Slowakei tat und warum ich in Wien immer das Taxi aus Komárno kommen ließ.
Sie alle hörten aufmerksam zu, sie sagten auch nichts dazu, dafür aber sprachen ihre Gesichter Bände, denn keiner von denen glaubte mir ein Wort.
Wie denn auch? Wie könnte ich denen und all den anderen Helden klarmachen, dass die Scheißhausparolen, die über mich seit einigen Jahren schon im Dorf kursierten, mir bestens bekannt waren? Dass solche Geschichten nur aus dem faulen Humus, der von einige trübsinnigen Dorftrotteln als Gehirnmasse bezeichnet wird und in ihrem Kürbis spazieren getragen wurde, entsprangen?
Wie denn?
Als ich bei dem Holländer war und monatlich nach West Afrika flog, ging ich oft und noch öfter meine Eltern besuchen.
In Lagos, wo ich unsere Schiffe betreute und aufpasste, dass alles mit rechten Dingen vor sich ging, hatte ich immer genügend US-Dollars bei mir, um den Agenten und sonstige Unkosten zu bezahlen.
Dort bei der KLM Nigeria bestellte ich auch all die Flugtickets, die mein damaliger Arbeitgeber mir aufgelistet hatte, und zahlte sie mit der landesüblichen Währung, in Naira also, die ich vorher in dem Bristol Hotel, von unserem Valuta Schwarzmarkthändler für einige Hundert Dollars, je nach Bestellung und Bedarf, zu mir ins Hotel gebracht bekam.
KLM Holland war zwar natürlich nicht allzu begeistert davon, konnte aber nichts dagegen tun, denn es war alles bestens und legal, weil ich als Käufer immer unsere nigerianische Niederlassung angab, und die offizielle Währung in Nigeria ist nun mal die Naira und nicht der US-Dollar.
Als ich dann eines Tages im Reisebüro bei mir im Dorf einen Flug von Triest nach Amsterdam via Mailand buchte und ein Flugticket, das mich von Lagos aus nach Amsterdam via Mailand und Triest und wieder via Triest und Mailand nach Amsterdam zum Weiterflug nach Lagos in Nigeria zurückbeförderte, auf den Tisch legte, da wurde die junge Dame hinter der Theke des Reisebüros, zumal das Flugticket cash und in nigerianischen Naira bezahlt wurde, erst mal blass.
Sie war fast unter Schock, sie schaute mich mit weit geöffneten Augen an, und ich war so von ihrer Überraschung amüsiert, dass ich mir nicht verkneifen könnte, ihr noch ein paar solche offenen Tickets zu zeigen, die mich immer „within the mileage“ von Lagos aus via Amsterdam, in alle Himmelrichtungen befördert hätten.
Solche Flugtickets hatte sie noch nie gesehen, auch die anderen Angestellten nicht, wie denn auch, von wem denn?
Nur CIA-Agenten, Freischärler und Söldner konnten an so etwas rankommen, normale Seeleute nicht, sagten alle Dorfdeppen, als sich die Geschichte mit den Flugtickets herumsprach, denn ich war der einzige zwielichtige Mensch in dem Scheißdorf, der für so etwas in Frage kam.
Man munkelte zwar schon seit Langem, dass mit dem Franco etwas nicht ganz astrein sein konnte, dass er doch in dunkle internationale Waffengeschäfte verwickelt sein musste, aber für wen, wenn nicht für die Amis? « dachten die Dämlichen und die Deppen des Dorfes.
Damals, als ich noch bei den Amis in der Nordsee tätig war, fingen die Idioten schon an zu munkeln und dämlich zu labern.
Als ich dann bei derselben Reederei, aber diesmal in der mexikanischen Bucht anfing, wurde das Gelaber noch schlimmer und lachhafter und noch dämlicher als üblich.
»So etwas gibt’s nicht, es kann nicht angehen, dass ein Emigrant bei den US-Amerikanern in den Vereinigten Staaten auf US-amerikanischen Schiffen als leitender Maschinist beschäftig ist.«
Hätte es einen Sinn gehabt, all den Dorfbanausen zu erklären, dass die Schiffe zwar in den VS waren, dass die zwar irgendeiner US-Reederei oder Firma gehörten und dass sie, wie sie da lagen, unter Bahamas Flagge fuhren?
Nein, es hätte keinen Sinn gehabt, denn die hätten es nicht geglaubt.
Die hätten es nicht geglaubt, weil die in ihrer geistigen Kurzsichtigkeit als eingebildete, böswillige, besserwissende und blasierte Arschlöcher es nicht glauben wollten, so einfach war das.
Hinzu kam, dass mich mein Personalchef an einem Morgen, als ich bei meinen Eltern zu Besuch war, kurz bevor ich zum zweiten Mal nach Komárno fahren sollte, anrief und mich bat, für ein paar Tage schnell nach Miami in Florida rüber zu flattern.
Dort als Chief auf einem unserer Schiffe war ein junger Mann tätig, man hatte in Ostfriesland aber nicht gemerkt, dass sein Patent kein Jahr alt war, also nicht voll ausgefahren; die US-Hafenbehörden aber schon und hatte infolgedessen das Schiff kurzerhand festgehalten.
Es war 9 Uhr morgens, als er anrief und um halb zwölf ging an dem Tag mein Flug von Venedig nach Amsterdam, von wo aus ich nach Miami hätte weiterfliegen sollen.
Das Kuhdorf, das kein Dorf mehr ist, sondern eine Stadt und keine Dorfkirche, sondern eine Kathedrale vorweisen kann, hatte kein Taxi und das war Scheiße.
Beziehungsweise ein einziges Taxi kann die Stadt Codroipo schon vorweisen, dem Fahrer war aber die schnelle Fahrt nach Venedig so früh am Tag zu lang, und er lehnte es gerade deswegen ab, mich dorthin zu fahren.
Die blöde Kuh, die meine Schwägerin ist, erklärte vorweg, dass sie keine Zeit hätte, mich zum Flughafen zu fahren. Umsonst hätte sie es nicht tun müssen, denn ich hätte ihr die Fahrt bezahlt wie einem Taxi, denn es war ja Reederei Arbeit, aber so ist es nun mal im Leben: Ein Mann kann sich seine Freunde aussuchen, seine Verwandten aber nicht; so stand ich da mit meinem Talent, in einem Dorf, das zur Stadt samt Kathedrale hochstilisiert wurde, und ich kam nicht weg, weil die Stadt nur ein einziges Taxi vorweisen konnte, das angeblich so viel und so gut verdiente, dass er sogar eine gute Taxifahrt von 120 km abschlagen konnte.
Die Zeit rannte mir davon, und keiner wollte mich nach Venedig zum Flugplatz fahren. Zuge fuhren um die Zeit auch nicht, denn nur regionale Züge halten in der Stadt Codroipo an, aber nicht um die Zeit, wer will schon aus einer modernen Stadt um 9 Uhr morgens wegfahren?
Zum Glück kannte ich einen Mann, der manchmal Taxifahrer spielte, und den rief ich an, er erklärte sich bereit, mich nach Venedig zu fahren und kam auch sofort zu mir nach Hause, und wir fuhren gleich los.
Eine Woche später, nachdem die Fahrtzeit des Kollegen ausgefahren war und sein Patent somit gültig wurde, war ich wieder im Dorf.
»So was gibt es gar nicht, ist doch sonnenklar, dass er ein CIA-Agent ist! Den haben sie heimgerufen, um ihm neue Einweisungen für Jugoslawien zu geben; von wegen hier auszufahrende Patente und solche Scherze, wir sind doch nicht blöd«, blökten all die neuerkorenen Städter im Chor.

Gerade wegen des blöden Gelabers der Helden des Dorfes und nur deswegen wurden die anständigen Frauen und christlichen Mütter der Stadt auf mich aufmerksam; die sahen in mir etwas Übersinnliches, etwas Sublimes, etwas exquisit Raues, süß und derb, bestialisch wild, zügellos wüst, abenteuerlich hemmungslos, in der Tat sie fanden mich, meiner Bierwampe und Glatze zum Trotz, unheimlich sexy, Begehrens- und Bumswert zugleich.
Scheiße!
Meine Fresse, Kinder, gerade dank der böswilligen Dämlichkeit der Neustädter hätte ich schon mit der Hälfte der Damen der Stadt bumsen können.
Aber wie in Teufelsnamen soll ein anständig versauter Seemann, wie ich es nun mal bin, anständige Damen bumsen, deren Herren Ehemänner den Autostrich der Nutten aus Albanien und Jugoslawien, oder, je nach sozialem Status, den etwas billigeren Strich der Viados und Zwitter aus Brasilien hinter den Böschungen längs den Tagliamento Fluss zu besuchen pflegen?
Daher bumst ein Seemann nicht die Ehefrauen von Männern, die auf den Billigstrich der Nutten aus Albanien und Jugoslawien oder zu den brasilianischen Tunten gehen, der will sich doch nicht an Ehefrauen, deren Männer fremdgehen, die Pest an den Hals holen, oder?
Das Tollste an dieser ganzen Geschichte über meine CIA- oder Söldner- oder weiß der Kuckuck, was für eine Tätigkeit mir die Makaken des Dorfes je nach Laune oder Tocai Pegel im Blut mir andichteten, bekam ich einmal mehr mit, als ich den Zug nach Udine nahm, um von dort wieder über Wien nach Komárno auf die Werft zu fahren.
Mitunter war am Bahnhof ein Oberfeldwebel der Carabinieri, ein Maresciallo, also, mit einigen seiner Untergebenen in Kampfuniform und Stahlhelm auf dem Kopf.
»Da ist er, Signor Maresciallo, der fährt bestimmt nach Jugoslawien zurück«, bemerkte einer der Feldjäger, als er mich sah.
»Warum verhaften Sie ihn nicht?«, fragte erstaunt ein anderer von den Helden.
»Es gibt keinen Haftbefehl gegen ihn, sobald es einen geben wird, werde ich es tun«, antwortete der Maresciallo leise.
Meine Augen sind etwas schwach geworden, darum trage ich seit einigen Jahren eine Brille, meine Wampe ist gar nicht mal so schlecht geformt, und meine Knabberleiste, die wackelt ein bisschen, mein Gehör aber ist in bestem Zustand, ich sagte jedoch nichts dazu.
In vorbei gehen grüßte ich sie brav und artig, ich grinste denen ins Gesicht und zog weiter, ich fuhr zurück zu meinem Schiff nach Komárno in die Slowakei, und die Welt war für mich wieder in Ordnung.

Non ti curar di loro ma guarda e passa.
Dante. Inferno.