domenica 9 giugno 2013

Von Kochen und Bloggen und ab und dann ein Bier oder zwei oder so,,,

19.04.2013
Seebär Parpaiola kommt noch genauso oft aufs Wasser wie diese Flaschenpost! (Bild: dapd/ Jens Köhler)Seebär Parpaiola kommt noch genauso oft aufs Wasser wie diese Flaschenpost! (Bild: dapd/ Jens Köhler)

Kochen und Bloggen

Aus dem Leben eines gestrandeten Seemanns

Von Ernst-Ludwig von Aster

Der Seemann gehört hierzulande schon seit Jahren zur bedrohten Berufsspezies. Ernst-Ludwig von Aster hat einen alten Seemann getroffen, der unweit des Wassers in einem Seemannsheim in Bremen gestrandet ist - und von dort aus über sein Leben bloggt.
Franco Parpaiola beugt sich über die Küchenspüle im dritten Stock eines alten, roten Backsteingebäudes, wäscht Kartoffeln und Karotten, schneidet sie in große Stücke.

"Ganz schneller Eintopf ist das, habe ich gestern ein Huhn gekocht, habe ich ein bisschen Brühe, dann kommen en bisschen Kartoffeln und Möhren da rein."

Das Messer verschwindet fast in der großen Hand des alten Seemanns. Papaiola wirft das Gemüse in die Brühe, stellt den Topf auf den Herd, trocknet sich die Hände ab. Vier Jahrzehnte ist der Italiener als Maschinist über die Weltmeere gefahren. Jetzt lebt er in Bremen, unweit der Weser, in Deutschlands ältestem Seemannsheim.

"Im Seemannsheim bin ich seit ich in Rente bin, und da wollte ich nur eine Weile hier bleiben, ein paar Tage, eine Woche, es sind ein paar Jahre draus geworden."

Der große, kräftige Mann mit dem halblangen grauen Haar schüttelt den Kopf. Früher, in den 70er-Jahren, wohnte er auch hier. Immer wenn er und seine Kollegen auf eine neue Schiffstour warteten. Damals ist die Hansestadt Bremen noch ein begehrter Hafen. Und ein Schiffbaustandort. Heute entstehen im alten Überseehafen Wohnsiedlungen. Die großen Werften sind pleite. Und Parpaiola im Seemannsheim gestrandet.

"So, das ist die Brühe, rein damit (schütt, schütt)…. Dann können wir nach unten gehen, dann setzen wir uns dann."

Glatte Steinstufen führen nach unten, im ersten Stock geht es einen kargen Gang entlang. Hinter Tür Nummer 114 lebt Parpaiola.

"Wir nennen das hier die Katakomben…, ja nehmen sie mal hier Platz… "

Der 72-Jährige zieht einen Stuhl unter dem Schreibtisch hervor, bitte den Gast sich aufs Bett zu setze. Weil es hier so eng ist.

"Ganz normales 12 Quadratmeter-Zimmer mit Waschbecken, 365,55 Euro. Schreibtisch habe ich geschenkt bekommen von einer der Putzfrauen, den da auch, den kleinen Schrank."

Seit fast 10 Jahren lebt Parpaiola hier. Seit er von einem Tag auf den anderen arbeitslos wird. Damals ist er auf einem 4000 Tonnen Chemiefrachter unterwegs, soll von Großbritannien nach Rotterdam schippern. In Manchester ist für die Crew die Reise überraschend zu Ende.

"… und dann kamen russische Leute an Bord, und schon waren wir arbeitslos alle. Das war das erste Mal in meinem Leben, als ich arbeitslos wurde. Aber das ist nun mal so, das ist die Politik, die das beschlossen hat."

3500 Handelsschiffe fahren heute noch für deutsche Reeder über die Weltmeere. Doch nur noch ein Bruchteil - rund 500 - unter deutscher Flagge. Die anderen sparen Kosten, indem sie in das Schiffsregister eines anderen Staates wechseln, auf so genannte Billigflaggen setzen.

"Die zahlen keine Steuern in Deutschland, die Reedereien. Und die können außereuropäische Besatzungsmitglieder nehmen. Mit Haustarif. Und von allem, was das Schiff verdient, kommt kein einziger Cent nach Deutschland. Obwohl Heimathafen Bremen oder Hamburg, das ist pro forma."

Keine Tariflöhne, keine Steuern. Und das auf Schiffen, deren Bau oft mit Millionensummen vom Staat gefördert wurde. Zornig blickt Parpaiola durch die großen Brillengläser, startet seinen Computer. Greift zu einer Klassik-CD.

Aus den Boxen klingt Rachmaninoff, das zweite Konzert. Parpaiola bearbeitet die Tastatur.

"Ich sitze am Computer, ich habe mein ganze Leben aufgeschrieben … "

Insgesamt zehn Bücher. Auf Italienisch und Deutsch. Und immer dreht es sich um dasselbe Thema: profitgierige Reeder und ausgebeutete Seeleute.

"Die Schweinereien, die die Klassifikationsgesellschaften machen…"

Seine Bücher verkauft er übers Internet. Nebenbei bloggt er auf Deutsch. Und italienisch. Ob das größte Containerschiff der Welt, die Marco Polo, leer nach Hamburg schippert, oder neue nautische Studiengänge angeboten werden - nichts bleibt unkommentiert…

"Da wollen wir mal sehen, wie das heute gelaufen ist ... mal sehen wie der Index läuft heute, sehen sie, das sind die Leute, die sich regelmäßig anklicken …"

Die meisten Leser kommen aus den USA und Russland. Erst dann folgen Italiener und Deutsche:

"Insgesamt habe ich vorigen Monate 384 Leute gehabt,.., also es läuft."

Zufrieden nickt der 72-Jährige. Dann stutzt er, schiebt ruckartig den Schreibtischstuhl zurück.

"Ich habe Suppe vergessen, halleluja Kinder, Kinder, lasst uns mal die Suppe gucken gehen."

Rein in die Hausschuhe, wieder rauf in die Gemeinschaftsküche.

Parpaiola dreht die Herdplatte auf kleine Flamme. Blickt auf die Uhr. Zehn Minuten braucht die Suppe noch. Da hat er noch Zeit für den Computer…

"Man bleibt irgendwie am Leben, (tipp, tipp), man bleibt in Verbindung mit der Welt. Sonst würde ich ja jeden Tag in der Kneipe hängen. Das darf ja nicht sein…"

 

Nessun commento: